Montag, 10. Oktober 2016

Liebe dich selbst und lerne, dich um deine Emotionen zu kümmern - Thay Phap Nhat

Wenn wir nicht wissen, wie wir uns selbst lieben und gut für uns selber sorgen können, wie wir uns selbst tief verstehen können, dann wird es schwierig für uns sein, andere Menschen zu lieben. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir lernen zu uns selbst zurückzukehren. Zunächst einmal müssen wir wirklich da sein für uns selbst. Oftmals sind wir nicht da für uns selbst, wir arbeiten sehr hart, und wir haben nicht viel Zeit für uns selbst. Wir müssen Geld verdienen, unsere Kinder großziehen, und es gibt viele Dinge, um die wir uns Sorgen machen. Wir vergessen sogar, dass wir einen Körper haben. Deshalb müssen wir für unseren Körper da sein. Wir können das erste Mantra aus Plum Village benutzen: „Ich bin hier für dich.“ In den meisten Traditionen, z. B. im tibetischen Buddhismus, sind Mantras heilige Wörter in einer fremden Sprache, die wir nicht verstehen. In Plum Village setzen wir die Tradition der Mantras fort, aber hier benutzen wir unsere eigene Sprache, sodass wir die Wörter verstehen können. Das erste Mantra lautet also: „Liebling, ich bin hier für dich.“ Zunächst einmal sind wir hier für uns selbst. Wir müssen lernen, wie wir uns entspannen können. Wenn wir starke Emotionen haben, wie z. B. Wut oder Angst, dann kann dies unseren Körper krank machen. Deshalb brauchen wir eine Technik, mit deren Hilfe wir unsere starken Emotionen beruhigen können. Wenn wir wütend sind, dann haben wir die Tendenz sofort sprechen zu wollen und unserem Ärger Ausdruck zu verschaffen. Wir wollen sofort reagieren. In der Vergangenheit haben wir viele Male genau das getan. Später bereuen wir oft, was wir gesagt haben, und wir wünschen uns, wir hätten es nicht getan. Aber dann ist es schon zu spät. Wir nehmen uns vor, beim nächsten Mal nicht wieder so zu reagieren. Aber die Energie der Wut ist so stark, dass sie uns wieder dazu bringt, etwas Unfreundliches zu sagen. Wir selber leiden darunter, und auch die Menschen um uns herum leiden darunter.

Wir können aber lernen, wie wir die Gehmeditation üben können. Wir sagen zu uns selbst: „Wenn ich ein starke Emotion habe, dann werde ich nichts sagen. Ich werde nichts tun. Ich werde erst dann wieder sprechen, wenn ich das Gefühl habe, dass ich mich beruhigt habe.“ Wie aber können wir uns beruhigen, wenn die Emotion so stark ist? Wir benutzen dazu die Technik der Gehmeditation. Bei jedem Schritt spüren wir den Kontakt zwischen unserem Fuß und dem Boden. Wir können still zu uns sagen „rechts, links, rechts, links...“ und wir lenken unsere Aufmerksamkeit auf den Kontakt zum Boden. Wenn wir zu schnell gehen, dann ist es schwierig, die Aufmerksamkeit bei unseren Schritten zu halten. Deshalb gehen wir bei der Gehmeditation langsamer als gewöhnlich. Wenn Wut in uns ist, dann befindet sich ganz viel Energie in unserem Kopf, aber wenn wir die Aufmerksamkeit auf dem Kontakt zwischen unseren Füßen und dem Boden halten, dann bewegt sich die Energie in unserem Körper langsam wieder nach unten. In der Plum Village Tradition gibt es auch eine Gatha zu der Gehmeditation. Eine Gatha ist ein kurzes Gedicht, das unsere Praxis unterstützt. Es ist auch möglich, die Schritte mit dem Atem zu koordinieren. Aber nach meiner eigenen Erfahrung ist diese Praxis für Anfänger nicht ratsam. Einige Praktizierende, die neu in dieser Praxis sind, haben mir berichtet, dass sie versucht haben, die Schritte mit ihrem Atem zu koordinieren, und später hatten sie das Gefühl, sie würden ersticken. Oftmals ist es für Anfänger zu schwierig, die Schritte mit dem Ein- und Ausatmen zu koordinieren, und sie beginnen dann die Atmung zu forcieren. Deshalb empfehle ich die einfache Form der Gehmeditation: Wir lenken unsere Aufmerksamkeit einfach nur auf den Kontakt zwischen den Füßen und dem Boden. Während wir dies tun, können wir auch beobachten, was in unserem Körper und in unserem Geist vor sich geht. Wenn wir bemerken, dass wir abgelenkt waren und vergessen haben, auf den Kontakt zum Boden zu achten, dann kommen wir mit unserer Aufmerksamkeit einfach wieder zurück zu unseren Schritten. Die Gehmeditation ist eine sehr friedvolle Praxis.

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