Während dem letzten Wochenende habe ich an dem Kurs „Achtsamkeit ist
eine Quelle des Glücks“ mit Bruder Phap Nhat teilgenommen. Am letzten
Tag zeichnete er ein Bild von einem Teich und einem Brunnen. Wenn man
auf den Teich schaut, scheint da zunächst einmal viel Wasser drinnen zu
sein; wir können sogar etwas Wasser herausnehmen und mit anderen teilen.
Aber wenn die Sonne scheint, wird das Wasser verdunsten und der Teich
kann austrocknen. Wenn wir auf den Brunnen schauen, sehen wir, dass er
kleiner ist als der Teich, aber er ist sehr tief.
Wenn wir Wasser aus
dem Brunnen schöpfen, dann nehmen wir es von tief unten aus dem Strom
unter der Erde. Diese Wasserquelle wird niemals leer sein, weil der
Strom immer weiter fließt dort unten unter der Erde. Bruder Phap Nhat
erklärte die Bedeutung dieses Bildes für unsere Praxis. Wir können viel
Wissen anhäufen, indem wir die Lehren studieren. Aber wenn wir an diesem
Punkt stehenbleiben, werden wir wie ein Teich sein, der leicht
austrocknen kann. Wenn wir tiefer gehen wollen, müssen wir wirklich ein
tatsächlich Praktizierender werden; wir müssen unseren eigenen Brunnen
graben, indem wir die Energie der Achtsamkeit entwickeln, sodass wir in
der Lage sind das Wasser direkt aus der Quelle zu schöpfen. Ich hatte
Bruder Phap Nhat schon einige Male über diese Analogie sprechen hören,
aber dieses Mal hat es mich wirklich getroffen. Ich habe den Eindruck,
dass ich oft in die Brunnen anderer Leute springe. Nicht, dass daran
etwas falsch wäre.
Es ist eine hilfreiche Erfahrung hineinzuspringen,
ein bisschen das frische Wasser zu kosten; ich genieße das sehr. Aber an
irgendeinem Punkt, wenn ich diese Erfahrung nachhaltig machen will,
muss ich wahrhaftig meinen eigenen Brunnen graben, d. h. ich muss durch
meine eigene Erfahrung zu der Einsicht gelangen. Natürlich ist es sehr
hilfreich, in der Nähe von Menschen zu sein, die schon einen tifen
Brunnen haben, weil sie mich mittels ihrer Präsenz daran erinnern
können, was möglich ist. Aber das Graben selbst muss direkt hier in
meinem Inneren geschehen.
In letzter Zeit frage ich mich oft, wem oder was ich vertrauen kann.
Gibt es irgendetwas, was ich wirklich sicher weiß? Es scheint so, als ob
ich mich nicht auf mein Denken verlassen kann, denn es produziert so
viele unterschiedliche, teilweise widersprüchliche Gedanken. Selbst wenn
ich eine klare Einsicht habe, wenn ich etwas sehr klar in meinem Herzen
fühle, kann es am nächsten Tag passieren, dass mein Geist an dieser
Erfahrung zweifelt und sagt, ich hätte mir das nur eingebildet.
Normalerweise begegne ich diesem Gedanken, indem ich mir sage: „ Ich
muss nicht an diesen Gedanken glauben, es ist nur ein Gedanke, ich kann
ihn einfach beobachten… und ich bin davon überzeugt, dass meine
Erfahrung wahr war.“Jetzt sehe ich, dass diese Überzeugung einfach nur
ein weiterer Glaube ist, ein weiterer Gedanke, den ich ins Spiel bringe
um mich vor den Zweifeln zu „beschützen“. Jetzt habe ich das Gefühl,
dass ich den Zweifeln nicht glauben muss, ja, aber ich muss auch nicht
der „beschützenden Stimme“ glauben. Es ist nicht notwendig, irgendeine
Erfahrung zu markieren und als „wahr“ oder „falsch“ zu bezeichnen.
Auch
wenn die Erfahrung wahr war, was wäre der Nutzen einer solchen Aussage?
Das bedeutet nichts, solange ich diese Einsicht nicht zurück in den
gegenwärtigen Moment bringen kann; was natürlich niemals möglich ist.
Ich kann nur eine neue Einsicht haben (indem ich weiter meinen Brunnen
grabe :)). Eine „alte“ Einsicht ist keine Einsicht mehr, es ist nur eine
Erinnerung an eine Erfahrung aus der Vergangenheit. Da ist noch etwas,
was ich mich fragen kann: Wenn diese Erfahrung wahr war, dann muss genau
hier und jetzt etwas sein, das dies bereits weiß. Es ist besser, mich
direkt hier zu fragen, was ich im gegenwärtigen Moment sehen kann,
anstatt meine Gedanken nach Informationen über eine Erinnerung aus der
Vergangenheit zu fragen.
Was wirklich klarer für mich geworden ist während diesem Wochenende
ist das intuitive Erkennen von etwas in mir, von dem ich fühle, dass ich
mich darauf verlassen kann. Ich habe es ein paar Male ziemlich stark
wahrgenommen, auch wenn es die meiste Zeit über noch ein vages Gefühl
ist. Zum Beispiel kann ich es spüren, wenn ich mir bewusst werde auf
welch intelligente Weise mein Körper funktioniert. Sogar in der
Vergangenheit, als es ziemlich viel negative und destruktive Gedanken in
meinem Kopf gab, hat er stets verlässlich gearbeitet, mein Herz hat
immer weiter das Blut gepumpt, und so weiter. Ich fühle, dass eine
großartige Intelligenz im menschlichen Körper wirkt, es ist eine
Intelligenz die noch nicht einmal Denken erfordert, sie funktioniert
komplett unterbewusst. Es ist wie ein Wunder. Das zu sehen macht mich
davon überzeugt, dass da sehr viel mehr Kraft in mir ist als nur das,
was ich im Denken beobachten kann. Und da ist etwas, selbst wenn ich es
nicht benennen kann, dem ich vertrauen kann. Es ist etwas tief im
Innern; ich weiß nicht, wie ich es beschrieben kann. Ich habe das
Gefühl, indem ich meinen Brunnen grabe, kann ich tiefer da hinein
sinken, anstatt mich auf Wissen von außen zu stützen. Ich fühle, dass
mir dieses Bild wirklich in meiner Praxis hilft, und ich werde es weiter
in meinem Herzen tragen.
In Dankbarkeit,
Vanessa
Furchtlose Erkundung des Herzens
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen