Montag, 4. April 2016

Frieden in mir, Frieden in der Welt - aus dem Dharma Vortrag vom 6. Februar in Hamburg





Thay Phap Nhat

Es gibt eine Geschichte, die sich vor mehreren Jahrtausenden zugetragen haben soll. Die Oberfläche der Erde war damals von Dornen und scharfen Steinen übersäht, und die Menschen haben sich beim Gehen oft die Füße an den Dornen verletzt. Der König, der zu jener Zeit regierte, wollte seine Volk beschützen, und bat daher mehrere weise Männer, in seinen Palast zu kommen, um eine Lösung für das Problem zu finden. Einer der weisen Männer schlug vor, dass man die gesamte Erde mit Teppich auslegen könnte, sodass die Dornen und Steine davon verdeckt sind. Die anderen weisen Männer fanden diese Idee sehr gut, denn sie würde tatsächlich alle Menschen vor Verletzungen an den Füßen beschützen. Allerdings schien es unmöglich, diese Idee in die Tat umzusetzen, da man dafür Unmengen an Teppich gebräucht hätte. So machte einer der weisen Männer einen anderen Vorschlag: Man könnte jedem Menschen ein paar Schuhe geben. Auf diese Weise wären die Dornen zwar nicht beseitigt, sie wären immer noch da, aber die Menschen wären durch ihre Schuhe vor Verletzungen beschützt. Der König stimmte dem Vorschlag zu, und so wurde es denn auch gemacht.


Diese Geschichte erinnert mich an den Frieden in uns selbst und den Frieden in der Welt. Wir haben die Idee, dass wir die gesamte Welt zu einer friedvollen Welt machen wollen, und das ist wirklich eine sehr gute Idee. Im Moment folgen sehr viele Menschen diesem Pfad, und sie gründen viele Bewegungen und Organisationen, die den Frieden in der Welt zum Ziel haben. Tatsächlich versuchen die Menschen bereits seit Tausenden von Jahren, dieses Ziel zu erreichen. Das ist wirkliche eine sehr gute und schöne Idee, aber es scheint nicht möglich zu sein. Wir können sehen, dass es bis heute immer wieder Kriege gibt. Es gibt eine andere Möglichkeit, Frieden in der Welt zu schaffen: Wir können unsere eigenen Schuhe herstellen. Wenn wir zuerst Frieden in uns selbst schaffen, dann wird auch die Welt friedvoller sein. Es scheint oft so zu sein, dass es in der Welt keinen echten Frieden gibt. Die Zeit des Friedens scheint oft nur die Vorbereitung auf einen neuen Krieg zu sein. Wenn aber jeder einzelne Mensch Frieden in sich selbst hat, dann wird Frieden in der Welt möglich. Wenn wir selbst eine friedvolle Person sind, dann strahlen wir eine Art friedvoller Energie aus, und diese Energie wird sich auch auf die Menschen in unserem Umfeld auswirken. Auf diese Weise wird unsere ganze Familie zu einer friedvollen Familie. Wenn in unserer Gesellschaft viele friedvolle Familien sind, dann wird auch in der Gesellschaft ein großes Maß an Frieden herrschen. Auch unser Land und schließlich die ganze Welt werden friedvoll, wenn wir alle friedvoll sind und diese Energie in unsere Umgebung ausstrahlen.

Die Schwierigkeit ist, dass die meisten Menschen sich nicht dessen bewusst sind, auf welche Weise sie ihre Umgebung beeinflussen. Wir können nichts geben, was wir nicht selber haben. Wir wollen wirklich Frieden in die Welt bringen, wir wollen den Menschen, die wir lieben, Frieden und Glück bringen, doch wie können wir das tun, wenn wir selbst keinen Frieden in unserem Inneren haben? Das ist nicht möglich. Deshalb müssen wir selbst die erste Person sein, die lernt ihren inneren Frieden und ihr inneres Glück zu entwickeln. Mit der Praxis der Meditation ist dies möglich. Das sind wirklich gute Neuigkeiten! Zahlreiche Generationen von Praktizierenden, die seit der Zeit des Buddha gelebt haben, konnten das durch ihre eigene Erfahrung bestätigen. Wenn es dem Buddha und zahlreichen anderen spirituellen Meistern gelingt, Frieden in ihrem Inneren zu kreieren, dann muss es auch uns selbst möglich sein. Wir entwickeln diese Fähigkeit in unserer Meditationspraxis von innen heraus; Frieden ist nicht etwas, das wir von außen bekommen könnten.

In der Welt gibt es vielen Kriege. Ich möchte diese Situation an einem Bild verdeutlichen. Auf der Erde brennt ein großes Feuer, es gibt viele Konflikte, Frustration und Leiden. Wir möchten die Situation gerne verbessern, doch auch in uns selbst gibt es ein kleines Feuer. Auch wir haben innere Konflikte, wir fühlen uns frustriert und wir leiden. Wie aber kann ein kleines Feuer das große Feuer auf der Erde löschen? Das ist nicht möglich. Wir müssen zu einem Nektar des Friedens werden, zu einem Nektar des Glücks. Dieser Nektar ist wie ein spezielles Wasser, das in der Lage ist das Feuer allmählich kleiner werden zu lassen. Dafür müssen wir Frieden in unserem täglichen Leben kultivieren. Wie aber können wir dies tun? Und wann können wir es tun? Am besten ist es, wenn wir jeden Tag damit beginnen, wenn wir morgens aufwachen und noch in unserem Bett liegen.

Für mich ist die Meditation das Leben. Das Leben ist nicht nur ein Teil von etwas, es ist das Ganze. Das Leben ist nur im gegenwärtigen Moment verfügbar. Um also zu meditieren und unseren inneren Frieden zu kultivieren, müssen wir voll und ganz leben.Wir müssen selbst das Ganze sein. Wir müssen vollkommen präsent sein im Hier und Jetzt. Wir sind uns dessen bewusst, was jetzt gerade in unserem Körper, in unserem Geist und in unserer Umgebung vor sich geht.

Wenn wir morgens aufwachen, können wir bereits damit beginnen, unseren inneren Frieden zu produzieren. Die erste Meditationsübung des Tages ist unser Lächeln. Unser Lächeln kann eine Botschaft des Glücks, des Friedens und der Freiheit sein. Auch unser Körper profitiert von unserem Lächeln, denn in unserem Gesicht befinden sich etwa 300 Muskeln, die sich beim Lächeln auf ganz natürliche Weise entspannen. So sehen wir auch viel schöner und freundlicher aus. Plötzlich mögen unsere Kinder und Enkelkinder gerne in unserer Nähe sein, und auch unsere Beziehungen zu unseren Lieben werden sich verbessern. 
 


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